Betriebsräte im Visier - zweite bundesweite Konferenz

Veröffentlicht am 20.10.2015 in Allgemein

Die zweite Konferenz „Betriebsräte im Visier - Bossing, Mobbing Co.“ fand am 17.10.2015 im Gewerkschaftshaus Mannheim statt. Dort wurde wirksamen Schutz für betriebliche Interessenvertretungen gefordert und dass Bossing und Mobbing von Betriebsräten, so wie die Bedrohung ihrer Familien und das teilweise Existenz bedrohende System gemeinsam bekämpft werden muss.

In einem Grußwort unterstrich Klaus Stein, 2. Bevollmächtigterder IG Metall Mannheim, die Notwendigkeit eines aktiven gewerkschaftlichen Vorgehens gegen BR-Mobbing und dankte den Gastgebern, dem Solikomitee gegen BR Mobbing für ihr Engagement für betroffene Betriebsräte. Erst durch die Arbeit des Komitee wurde in der Metropolregion das System tranparent und er wünsche sich, dass die Arbeit weitergehe und es weitere gemeinsame Vernetzungen gäbe.

Albrecht Kieser von work watch Köln überbrachte eine Botschaft von Günter Wallraff, der sich nicht nur mit dem Anliegen der Konferenz solidarisierte, sondern den von Unternehmerangriffen betroffenen Betriebsräten

seine Unterstützung zusicherte.

Am Beispiel Hyundai - „Gewerkschaftsbekämpfung und BR- Mobbing - ein Weltkonzern sieht rot“ wurde die systematische Bekämpfung von gewerkschaftlich organisierten Interessenvertretungen aufgezeigt. Dabei standen vor allem die skandalösen Vorgänge bei Hyundai in Rüsselsheim im Mittelpunkt, aber es konnten auch die noch skrupelloseren Vorgehensweisen des Konzerns zum Beispiel in Tschechien, den USA, Indien und Südkorea beleuchtet werden. Diese folgen alle den fast gleichen Schemata.

In den Saaldiskussionsbeitragen zeigte sich schnell, durch Aussagen von ehemaligen und noch aktiven Betriebsräten, dass auch die Angriffe in Deutschland und der Metropolregion dem Muster von Naujoks und Co. folgen und  Hyundai dies bis ins kleinste Detail pervertiert hat.

Rechtsanwalt Klaus-Dieter Freund warf einen kritischen Blick auf die Rolle der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit. Er stellte eine "Amerikanisierung" der Verhältnisse im hiesigen Arbeitsrecht fest, die zu einer "asymmetrischen Auseinandersetzung" führe und die Rechtsposition von gewerkschaftlich organisierten Betriebsräten massiv beschädige. Betriebsräte können gerichtlich das Beschlussverfahren nutzen, um Rechte einzuklagen, wenn nichts mehr hilft im Umgang mit der Geschäftsleitung oder Unternehmensleitung.

Es gibt zwei Verfahrensarten:

  • Beschlussverfahren, hier muss der Richter/die Richterin den kompletten Sachverhalt untersuchen

  • Urteilsverfahren, hier wird nur untersucht, was vorgetragen wird, die vorhandenen Belege oder Beweise

Will man den Betriebsrat schwächen, wird ein einzelner Betriebsrat oder die wehrhaften Betriebsräte, meist die gewerkschaftlich organisiert sind, wegen irgendeiner angeblichen Verfehlung im Betrieb mit Individualklagen angegriffen und oft erst einmal gekündigt (Verdachtskündigung), dies findet dann im Rahmen eines Urteilsverfahren statt, der komplette Sachverhalt muss nicht berücksichtigt werden. Werden von Geschäftsleitungen (GL) einzelne Betriebsräte herausgepickt, verdreht sich die inhaltliche Wirklichkeit. Außerdem können Geschäftsleitungen ihre Vertreter*innen vor Gericht vorher anweisen im Rahmen des Direktionsrechts, keine Unterlagen usw. vorzulegen. Im Gütetermin wird dann verhandelt, obwohl die GL keine Beweise vorlegt und der Betroffene kommt in die Bringsituation ohne, dass die GL etwas Konkretes vorgelegt hat. Eigentlich geht es aber gar nicht um Betriebsrat xy, sondern um die Schwächung des Betriebsrats als Interessenvertretung der Mitarbeiter*innen.

In einem Podiumsgespräch berichteten Kollegen am Beispiel der Konflikte bei Enercon in Magdeburg, H&M in Trier und nora systems in Weinheim vom erfolgreichen Widerstand gegen BR-Mobbing. Nur durch aktive gewerkschaftliche Solidarität, konsequentes Verteidigen der eigenen Rechte und eine öffentliche Skandalisierung der Vorgänge konnte die Kündigung von Betriebsräten bekämpft werden können.

Eine Folgekonferenz ist für das Jahr 2016 in Mannheim geplant.

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Die über 100 Teilnehmer*innen der Konferenz „Betriebsräte im Visier“ verabschiedeten folgende Entschließung:

"Gewerkschaftsbekämpfung und Mobbing gegen Betriebsräte -
keine Einzelfälle, sondern ein flächendeckender Skandal!
 

Seit einiger Zeit sind wachsende Angriffe auf engagierte Betriebsräte und Gewerkschaftsmitglieder zu verzeichnen. Ziel ist zuerst die Lähmung und dann die Ausschaltung der betroffenen Kolleginnen und Kollegen.  

In der Regel werden nur einzelne Fälle in den Medien bekannt. Die große Dimension dieses weitgehend ignorierten Skandals, das System der aggressiven Einschüchterung, des offenen Rechtsbruchs und der brutalen Existenzvernichtung, das hinter diesen „Fällen“ im Urteilsverfahren steckt, wird nur selten beleuchtet. Zum einen handelt es sich bei diesen Attacken um das juristische Vorgehen gegen gewerkschaftlich und betrieblich Aktive bis hin zur Verdachtskündigung, die in offenem Widerspruch zur sonst geltenden Unschuldsvermutung steht. Zum anderen geht es hierbei um die massive psychische Beschädigung der Betroffenen - bis hin zur Vernichtung ihrer Existenz.

Geschäftsleitungen bedienen sich bei diesem Treiben nicht selten ihnen nahe stehender „Betriebsrats-Mitglieder“. Vor allem aber nehmen sie die hochbezahlten Dienste spezialisierter „Rechtsanwalts-Kanzleien“ (z. B. Naujoks oder Schreiner & Partner) sowie von „Beratern“ in Anspruch, deren Geschäft die Bekämpfung aktiver KollegInnen ist.

Von diesen Vorgehensweisen sind jedes Jahr nach konservativen Schätzungen wenigstens hunderte von gewerkschaftlich organisierten Betriebsratsmitgliedern direkt betroffen. Belegschaften werden durch die Kaltstellung ihrer demokratisch gewählten Interessenvertretungen eingeschüchtert und schutzlos gemacht. Nicht zuletzt sind auch die Familien der betroffenen Betriebsräte einem enormen Druck ausgesetzt, an dem sie oft zerbrechen.

Es ist bezeichnend, dass derartige Machenschaften offenbar in einem straffreien Raum stattfinden können. Arbeitsgerichte und Staatsanwaltschaften weigern sich im Allgemeinen, solche schweren Verstöße gegen das Grundgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen oder gar ihnen Einhalt zu gebieten. Auch seitens des Gesetzgebers ist kein Eingreifen gegen diese immer weiter verbreitete Be- und Verhinderung von Betriebs- oder Personalratstätigkeit zu erkennen.

Es fehlt ein konsequenter bundesweiter Widerstand gegen derartige Formen des Klassenkampfs von oben. Das ist nicht zuletzt Aufgabe der Einzelgewerkschaften und ihres Dachverbands DGB, deren betriebliche Basis zunehmend bedroht wird.

Wir rufen deshalb im Sinne des Mannheimer Appells vom 11. Oktober 2014 dazu auf, die Grund- und Menschenrechte von Gewerkschaftsmitgliedern und Betriebsräten entschlossen zu verteidigen!

Die TeilnehmerInnen der 2. Konferenz „Betriebsräte im Visier".

Mannheim, den 17. Oktober 2015."
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Die Tagung fand mit der freundlichen Unterstützung der IG Metall Mannheim, von ver.di Rhein-Neckar, work-watch Köln sowie der IG BCE Ortsgruppe Weinheim und der IGM-Vertrauenskörperleitung Alstom Mannheim statt.

Das Solikomitee trifft sich jeden 2. Montag im Monat, bei Interesse können wir dir mehr Infos geben, einfach unseren Vorstand anschreiben.

 

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