„Dieser Professor“: Kanzler Schröder entdeckt auf „heimischem Terrain“ seinen Li

Veröffentlicht am 06.09.2005 in Presseecho

Gestern Abend drosch der Kanzler auf den Heidelberger Juristen Paul Kirchhof ein – Über 5000 Zuhörer – Kritik an schlechter Akustik

Von Micha Hörnle und Alexander R. Wenisch/ Rhein-Neckar-Zeitung 6.9.2005

Fast ein Heimspiel für den Kanzler: Zwischen 5000 (Polizeischätzung) und 9500 (SPD-Angaben) Zuhörer waren auf den Uniplatz gekommen, um gestern Abend Kanzler Gerhard Schröder bei der öffentlichen Kundgebung auf dem Uniplatz zu hören. Mit sichtbarer Freude rieb sich Schröder an seinem Heidelberger Lieblingsgegner: Paul Kirchhof.

Der Kanzler hadert sichtbar mit „diesem Professor aus Heidelberg“. Gleich mehrfach kam bei Gerhard Schröder gestern Abend auf dem Uniplatz die Rede auf seinen Lieblingsgegner im Merkelschen Kompetenzteam. Etwa in der Mitte seiner gut halbstündigen Rede war er auf den Heidelberger Staatsrechtler Paul Kirchhof zu sprechen gekommen: Schon bei des Kanzlers einleitenden Worten „Es gibt da einen Professor aus Heidelberg“ brandete wissender Applaus auf, aber das Publikum war schon vorgewarnt. Lothar Binding war der Erste, lange vor des Kanzlers Rede, der den Namen ausgesprochen hatte, der weder in der aktuellen politischen Diskussion noch hier in Heidelberg zu vermeiden ist: Paul Kirchhof. Ob „der Professor“ anwesend war, weiß man nicht. Aber Ute Vogt, die dann mit Kanzler Schröder kam, berichtete, sie habe als Studentin in Jura-Vorlesungen des Herrn Kirchhof gesessen und diesen schon damals als „erzkonservativ“ empfunden.

Kirchhofs „netto zwei Töchter“

Und auch der Kanzler gab sich – wie schon im TV-Duell vorgestern – alle Mühe, den Heidelberger Juristen als reaktionär – nach dem Motto: Der Mann geht arbeiten, die Frau hütet zu Hause die Kinder – hinzustellen. Schröder schlug eine Brücke zu Angela Merkels TV-Duell-Äußerungen über die vier angeblich arbeitenden Töchter Kirchhofs (und ganz nebenbei zur Merkelschen Brutto-/Netto-Verwirrung): „Wir haben recherchiert: Der Professor hat vier Kinder und netto zwei Töchter, weil die zwei anderen Söhne sind.“ Und weiter im Parforceritt gegen den Heidelberger – O-Ton Kanzler: „Dass der Mann von hier kommt, spricht nicht gegen diese Stadt“ –, dieses Mal gegen dessen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent, den „er der Union aufgeschwatzt hat“: „Das bedeutet, dass der Millionär 25 Prozent bezahlt und der Facharbeiter auch.“

Der Kanzler, der wie gewohnt frei redete und wie gewohnt mit seiner linken Hand das Pult knetete, schlug in seinen 37 Minuten einen kühnen Bogen von den gegenwärtigen Naturkatastrophen („Die Schöpfung bewahren“) bis hin zur Ganztagesbetreuung an Schulen und der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf („Das habe ich von Eurer Beate Weber gelernt“), um nachher bei den Studiengebühren zu landen: So werde es mit ihm niemals Gebühren für das Erststudium geben: „Ich habe gelernt, dass der Zugang zur Hochschule nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist, sondern davon, was er oder sie im Kopf hat.“ Dafür gab es in einer Unistadt – wer hätte das gedacht – frenetischen Applaus.

Nach Polizeiangaben kamen bis halb neun 5000 Neugierige zusammen, die SPD zählte immerhin stolze 9500. Der Platz war bis zum Anschlag voll. Wer ganz vorn einen Sitzplatz haben wollte, musste über eine Stunde vorher da sein. An den Eingängen – der Platz war mit Gittern abgesperrt – war schon bald kein Durchkommen mehr. Studenten standen und saßen auf den Telefonzellen und Toilettenhäuschen am Uni-Platz, um einen Blick auf die Bühne zu ergattern. Einer hatte es sich sogar in luftiger Höhe auf einer Laterne bequem gemacht, andere erklommen gar die Telefonhäuschen. Wer weiter hinten oder in den Gassen stand, hatte Pech. Entweder man konnte einen Blick auf die Leinwand ergattern, oder man verstand von Schröders Rede so gut wie gar nichts. Die Beschallung hallte an der Wand der Alten Uni wider, was zu einer sehr unglücklichen Klangmischung auf dem Platz führte – und viele wohl dazu bewog, verärgert wieder zu gehen. Und so waren die einzigen, ziemlich verweifelt klingenden Zwischenrufe bei der Kanzlerrede auch „Lauter, lauter“. Schon früh hatten sich auch Schröder-Gegner formiert, die sich phonmäßig aber kaum bemerkbar machten. An der Mauer der Alten Uni hatten sie das durchgestrichene Hartz-IV-Plakat aufgerollt und apostrophiert: „Der Widerstand geht weiter.“

Mit TV-Spots auf einer riesigen Leinwand wurden die Besucher bei Laune gehalten. Prominenz, die sich für Schröder stark macht: Günther Grass, Paul van Dyk oder Klaus Staeck. Um das junge Publikum anzusprechen, hatten die Sozialdemokraten die beiden Heidelberger Rapper Torch und Toni L. engagiert, die mal Stars waren. Doch Torch gelingt es nur schwer, die Menge in Stimmung für seinen Kurpfalz-Rap zu bringen. Dann fragt er: „Und wer kommt jetzt?“ Die Spannung war groß; einige im Publikum brüllten: „Gerhard, Gerhard.“ Doch es kam: Toni L., der Rapper-Kollege mit dem er Worte sang, die sich nur schwer reimten: „Sind wir Gäste oder Bürger ohne Rechte“ – aber die Worte „sie kommen von Herzen“.

Die sozialdemokratischen Lokalmatadore durften auch etwas Werbung für sich machen. „Knallharte Fragen“ an Lothar Binding, Lothar Mark, Gerd Weisskirchen und Stefan Rebmann hatte der Moderator des Abends angekündigt – und lieferte dann eine Steilvorlage nach der nächsten, um veritabel das SPD-Programm zu loben, die Unions-Pläne zu kritisieren und wie nebenbei auch noch einige Spitzen in Richtung Lafontaine und Linkspartei los zu werden. Aber eigentlich waren die Zuschauer ja nur gekommen, um den Kanzler zu sehen. Der reckte nach seiner Rede sechs Mal beide Zeigefinger nach oben, herzte die OB und war dann so schnell verschwunden, wie er (mit 20-minütiger Verspätung) gekommen war.

 

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